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Unternehmen sind gefordert: die Komplexität der ESG-Regulierung

Unternehmen sind immer mehr gefordert, die komplexe Regulierung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und zur Einhaltung von Menschenrechten umzusetzen. Durch die Einführung der Berichterstattungspflichten in nichtfinanziellen Belangen und der Sorgfalts- und Transparenzpflichten in den Bereichen Konfliktmineralien und -metallen sowie Kinderarbeit sind seit 1. Januar 2022 solche Bestimmungen auch in der Schweizer Gesetzgebung verankert. Bei der Umsetzung dieser noch jungen Vorschriften stellen sich zahlreiche Fragen, deren Beantwortung eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Thematik erfordert. Und es bleiben gewisse Rechtsunsicherheiten bestehen, mit denen Unternehmen umzugehen wissen müssen.

Nachfolgend haben wir einige dieser Fragen und Überlegungen, die uns für betroffene Unternehmen als besonders relevant erscheinen, in verschiedenen Abschnitten zusammengefasst. Dabei geht es hauptsächlich darum, welche Unternehmen von den entsprechenden Pflichten überhaupt betroffen sind sowie um die Berichterstattung selbst. Selbstverständlich stehen wir Ihnen gerne für eine individuelle Beratung zur Verfügung.

Die Themen im Einzelnen

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  1. Welche ESG-Regularien gelten seit dem 1. Januar 2023 in der Schweiz?
  2. Wen betrifft die Berichterstattungspflicht über nichtfinanzielle Belange?
  3. Sorgfalts- und Transparenzpflichten bzgl. Konfliktmineralien und –metalle und Kinderarbeit: Welche Unternehmen sind in örtlicher Hinsicht betroffen?
  4. Sorgfalts- und Transparenzpflichten bzgl. Konfliktmineralien und –metalle: Auf welche Art und ab welcher Import- bzw. Bearbeitungsmenge kommen die Pflichten zur Anwendung?
  5. Sorgfalts- und Transparenzpflichten bzgl. Kinderarbeit: Welche Gesellschaften können sich in Konzernverhältnissen auf die KMU-Ausnahme berufen und inwieweit kann bei der Verdachtsprüfung ein risikobasierter Ansatz verfolgt werden?
  6. Per wann und wie hat die Berichterstattung zu erfolgen?
  7. Ist der Blick auf die Schweizer Regularien zu eng?
1) Welche ESG-Regularien gelten seit dem 1. Januar 2023 in der Schweiz?

Seit dem 1. Januar 2023 – nach Ablauf der einjährigen Übergangsfrist seit Inkrafttreten der Bestimmungen – sind gewisse Gesellschaften nach Schweizer Recht verpflichtet, öffentlich Bericht über nichtfinanzielle Belange (insbesondere Umweltbelange wie CO2-Ziele, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Achtung von Menschenrechten sowie die Bekämpfung der Korruption) zu erstatten. Der Bereich Klima wurde vom Bundesrat in der Verordnung über die Berichterstattung über Klimabelange konkretisiert, welche am 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist.

Darüber hinaus wurden zeitgleich Sorgfalts- und Transparenzpflichten bezüglich aus Sicht der Lieferkette eines Unternehmens kritischen Themen Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten sowie Kinderarbeit eingeführt. Die Detailregelung hierzu findet sich in der Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit, abgekürzt VSoTr. Fällt ein Unternehmen in den Anwendungsbereich, so ist es verpflichtet, gewisse Sorgfaltspflichten einzuhalten. Insbesondere hat es eine Lieferkettenpolitik und ein Managementsystem einzuführen und die Rückverfolgbarkeit der Lieferkette zu gewährleisten. Über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten muss sodann in beiden Bereichen (Konfliktmineralien und -metalle sowie Kinderarbeit) öffentlich Bericht erstattet werden.

2) Wen betrifft die Berichterstattungspflicht über nichtfinanzielle Belange?

Nach Art. 964a OR fallen nur "Gesellschaften des öffentlichen Interesses" unter die Pflicht, Bericht über nichtfinanzielle Belange zu erstatten.

Darunter sind einerseits Publikumsgesellschaften mit Sitz in der Schweiz und somit Schweizer Unternehmen zu verstehen, welche Beteiligungspapiere an einer (ausländischen oder Schweizer) Börse kotiert oder Anleihensobligationen ausstehend haben. Ebenfalls betroffen sind Schweizer Unternehmen, die mindestens 20 % der Aktiven oder des Umsatzes zur Konzernrechnung einer anderen Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz beitragen, welche Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert oder Anleihensobligationen ausstehend hat. Zudem fallen Unternehmen unter den Begriff der "Gesellschaften des öffentlichen Interesses", die nach dem Schweizer Finanzmarktaufsichtsgesetz eine Bewilligung, eine Anerkennung, eine Zulassung oder eine Registrierung der FINMA benötigen, wie dies insbesondere bei Vermögensverwaltern, Banken und Versicherungen der Fall ist.

Die betreffenden Unternehmen werden allerdings nur dann von der Berichterstattungspflicht über nichtfinanzielle Belange erfasst, wenn sie in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren zusammen mit den von ihnen kontrollierten in- und ausländischen Gesellschaften die folgenden Schwellenwerte überschreiten: durchschnittlich 500 oder mehr Vollzeitstellen sowie entweder eine Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Franken oder einen Umsatz von mehr als 40 Millionen Franken.

3) Sorgfalts- und Transparenzpflichten bzgl. Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit: Welche Unternehmen sind in örtlicher Hinsicht betroffen?

Von den Sorgfalts- und Transparenzpflichten bezüglich Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit erfasst werden in örtlicher Hinsicht Unternehmen, deren Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung sich in der Schweiz befindet (Art. 964j Abs. 1 OR).

Während die Begriffe des Sitzes und der Hauptniederlassung wenig Interpretationsspielraum lassen, bestehen bei jenem der Hauptverwaltung gewisse Unsicherheiten. Grundsätzlich handelt es sich bei der Hauptverwaltung um jenen Ort, an welchem die Willensbildung oder die unternehmerische Leitung des Unternehmens erfolgt. Wo befindet sich dieser allerdings in Konstellationen, in denen ausländische Tochtergesellschaften eine Schweizer Muttergesellschaft haben? Schwierigkeiten bereiten kann eine Einschätzung dazu insbesondere dann, wenn neben der Beherrschung durch eine Schweizer Muttergesellschaft noch weitere Bezüge zur Schweiz bestehen. Die Erläuterungen zur VSoTr enthalten eine missverständliche Passage, die den Eindruck erwecken könnte, dass ausländische Tochtergesellschaften grundsätzlich unter der Hauptverwaltung einer Schweizer Muttergesellschaft stehen. Unserer Auffassung nach ist ein Beherrschungsverhältnis für sich allein jedoch nicht ausreichend, damit von einer "Hauptverwaltung" in der Schweiz gesprochen werden kann: Wenn die ausländische Tochtergesellschaft über ein lokales Management verfügt und ihre Geschäftstätigkeit hauptsächlich ausserhalb der Schweiz ausübt, dürfte sie vom Anwendungsbereich auszuklammern sein. Relevant sind auch solche Tochtergesellschaften allerdings im Rahmen der Schwellenwertberechnung bei der Import- bzw. Bearbeitungsmenge von Konfliktmineralien und -metallen (vgl. hierzu Frage 4) sowie der KMU-Ausnahme für den Bereich Kinderarbeit (vgl. hierzu Frage 5)

Verbindliche Aussagen von Behörden zur Reichweite des Konzepts der "Hauptverwaltung" sind gemäss unserer Erfahrung derzeit nicht erhältlich. Es bleibt somit (auch) diesbezüglich eine gewisse Rechtsunsicherheit bestehen.

4) Sorgfalts- und Transparenzpflichten bzgl. Konfliktmineralien und -metalle: Auf welche Art und ab welcher Import- bzw. Bearbeitungsmenge kommen die Pflichten zur Anwendung?

Unter die Sorgfalts- und Transparenzpflichten bzgl. Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten fallen nur Unternehmen, welche zusammen mit den von ihnen kontrollierten Unternehmen bestimmte Mengen an Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthaltende Mineralien oder Metalle aus Konflikt- und Hochrisikogebieten in die Schweiz einführen oder diese (auch wenn in der Schweiz bezogen) in der Schweiz bearbeiten. Für die entsprechenden Schwellenwerte verweist die VSoTr auf ihren Anhang 1. Der Handel und die Bearbeitung ausserhalb der Schweiz sind hingegen nicht vom Anwendungsbereich erfasst.

Dabei geht aus den Schweizer Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmungen nicht ausdrücklich hervor, ob die Sorgfalts- und Transparenzpflichten nur bei der Bearbeitung bzw. Einfuhr von Roh- und Halbfertigprodukten greifen oder ob auch fertig bearbeitete Produkte von den Bestimmungen erfasst sind. Da unter die EU-Konfliktmineralienverordnung lediglich Roh- bzw. Halbfertigprodukte fallen und die Verordnung Vorbild für die Schweizer Regulierung gestanden hat, dürfte dies auch für die Schweiz gelten. Massgebend sind letztlich die im Anhang 1 zur VSoTr aufgeführten Tarifnummern.

Die Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten beschränken sich auf jene Mineralien und Metalle, bei denen die Schwellenwerte überschritten werden. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Schwellenwerte nicht allein aufgrund von Mineralien oder Metallen, die aus Konfliktgebieten stammen, überschritten werden müssen. Vielmehr reicht es aus, wenn auch nur ein kleiner Teil aus einem Konflikt- oder Hochrisikogebiet stammt, sofern gesamthaft pro Metall oder Mineral, zusammen mit den vom jeweiligen Unternehmen kontrollierten Gesellschaften, die Schwellenwerte gemäss Anhang 1 zur VSoTr überschritten werden.

5) Sorgfalts- und Transparenzpflichten bzgl. Kinderarbeit: Welche Gesellschaften können sich in Konzernverhältnissen auf die KMU-Ausnahme berufen und inwieweit kann bei der Verdachtsprüfung ein risikobasierter Ansatz verfolgt werden? 

Im Gegensatz zur Regulierung betreffend Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten sind im Bereich der Kinderarbeit nicht (nur) Produkte und Dienstleistungen relevant, welche in die Schweiz eingeführt oder in der Schweiz bearbeitet werden. Vielmehr können sämtliche Produkte und Dienstleistungen, die ein Unternehmen mit Sitz, Hauptniederlassung oder Hauptverwaltung in der Schweiz weltweit herstellt oder anbietet, betroffen sein.

Unter Vorbehalt eines offensichtlichen Einsatzes von Kinderarbeit sind gewisse kleine und mittlere Unternehmen von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten im Bereich Kinderarbeit ausgenommen (sog. KMU-Ausnahme). Auf den ersten Blick scheint diese KMU-Ausnahme gesetzlich klar geregelt zu sein: Unternehmen sind von den Pflichten ausgenommen, wenn sie in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren mindestens zwei der folgenden drei Schwellenwerte unterschreiten: Bilanzsumme von 20 Mio. Franken, Umsatzerlös von 40 Mio. Franken und 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt. Dabei sind bei der Berechnung der Schwellenwerte auch die vom Unternehmen kontrollierten in- und ausländischen Tochtergesellschaften zu berücksichtigen. Wie verhält es sich nun jedoch, wenn in einem Konzern die Schweizer Muttergesellschaft die Schwellenwerte zusammen mit den von ihr kontrollierten Schweizer Gesellschaften überschreitet, die Schweizer Tochtergesellschaften für sich genommen hingegen nicht? Ist nun das Thema Kinderarbeit nur für die Produkte bzw. Dienstleistungen der Muttergesellschaft selbst weiter zu prüfen oder auch für jene der Tochtergesellschaften? Die Antwort auf diese Frage ist insbesondere dann von Relevanz, wenn die Mutter eine reine Holdinggesellschaft ist und selber keine oder kaum Produkte oder Dienstleistungen anbietet.

Nach klarem Wortlaut der Bestimmung in der VSoTr sind bei der Prüfung der Schwellenwerte der KMU-Ausnahme lediglich die Zahlen der durch das jeweilige Unternehmen kontrollierten in- und ausländischen Gesellschaften zu berücksichtigen. In den Anwendungsbereich fällt dann aber nur das einzelne Unternehmen, das die Schwelle – allein oder zusammen mit den von ihm kontrollierten Gesellschaften – überschreitet. Im vorangehenden Beispiel wäre das somit nur die Schweizer Muttergesellschaft, nicht aber die Schweizer Tochtergesellschaften, aufgrund derer die Mutter die Schwellenwerte überhaupt erst überschreitet. Demgegenüber enthalten die Erläuterungen zur VSoTr die Feststellung, dass die KMU-Ausnahme "selbstredend" nur dann gelte, "wenn das Unternehmen nicht Teil eines Konzerns ist, der diese Kriterien erfüllt."

Auch wenn ein gewisser Widerspruch zum Wortlaut der VSoTr besteht und es andere Stimmen in der Literatur gibt, sind wir in Übereinstimmung mit den Erläuterungen zur VSoTr der Ansicht, dass sich eine Schweizer Tochtergesellschaft nicht auf die KMU-Ausnahmen berufen kann, wenn die sie kontrollierende Schweizer Konzerngesellschaft die Schwellenwerte überschreitet. Die abweichende Ansicht dürfte mit Sinn und Zweck der Bestimmungen nicht vereinbar sein und würde zu stossenden Ergebnissen führen.

Unternehmen, welche nicht in den Genuss der KMU-Ausnahme gelangen, müssen in einem zweistufigen Prüfverfahren der Frage nach einem Risiko von Kinderarbeit in ihren Lieferketten nachgehen: In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Unternehmen nur ein geringes Risiko aufweist und bereits aus diesem Grund aus dem Anwendungsbereich fällt. Dies ist vorbehältlich des offensichtlichen Einsatzes von Kinderarbeit anzunehmen, wenn dessen Produkte gemäss Herkunftsangabe ("made in") aus Ländern stammen, deren Risiko für Kinderarbeit laut UNICEF Children's Right in the Workplace Index als "Basic" eingestuft wird. Bei Dienstleistungen ist dabei jenes Land relevant, in welchem diese schwerpunktmässig bezogen oder erbracht werden. Wird das Risiko gemäss Index als "Enhanced" oder "Heightened" eingestuft, so ist in einem zweiten Schritt eine produkt- bzw. dienstleistungsspezifische Verdachtsprüfung durchzuführen. Was unter einem "begründeten Verdacht" zu verstehen ist und wie und in welcher Tiefe die konkrete Verdachtsprüfung für unter Umständen tausende von Produkten bzw. Dienstleistungen und gemäss Wortlaut für die gesamte Lieferkette durchzuführen ist, ist weitgehend unklar. 

Den Erläuterungen zur VSoTr ist diesbezüglich lediglich zu entnehmen, dass ein Verdacht dann als begründet gilt, wenn er auf einem oder mehreren konkreten und belegten Hinweisen resp. Wahrnehmungen beruht, welche bei der Herstellung eines Produkts oder der Erbringung einer Dienstleistung den Einsatz von unzulässiger Kinderarbeit befürchten lassen. Als möglicher Hinweis kann beispielsweise eine Fotografie dienen. Der UNICEF Children's Right in the Workplace Index kann dabei ein Indiz für einen begründeten Verdacht auf unzulässige Kinderarbeit sein, genügt aber für sich alleine noch nicht, zumal der Index bereits die Basis für den vorangehenden Prüfschritt darstellt. Für die Durchführung der Verdachtsprüfung verweisen die Erläuterungen zur VSoTr weiter auf Instrumente, welche gemäss VSoTr auch – nach Feststellung eines begründeten Verdachts – im Zusammenhang mit der Implementierung der Sorgfaltspflichten zur Anwendung gelangen (Kontrollen vor Ort, Auskünfte von Behörden, internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft, Beizug von Fachleuten und Fachliteratur, Zusicherungen von Wirtschaftsbeteiligten an der Lieferkette und weiteren Geschäftspartnern sowie das Verwenden von anerkannten Standards und Zertifizierungssystemen).

Sinnvoll und mit den rechtlichen Vorgaben vereinbar scheint uns, bei der Verdachtsprüfung einen risikobasierten Ansatz zu verfolgen: Je grösser das Risiko des Einsatzes von Kinderarbeit ist, desto intensiver und weitgehender hat die Prüfung der Lieferkette zu erfolgen. Dies gilt insbesondere auch bei komplexen Lieferketten. Unternehmen dürfte somit ein gewisses Ermessen bei der Umsetzung der Verdachtsprüfung zukommen. Dabei spricht der risikobasierte Ansatz unserer Ansicht auch dafür, bei den Abklärungen zwischen konzerneigenen und Drittgesellschaften differenzieren zu dürfen, soweit das Risiko eines Einsatzes von Kinderarbeit unterschiedlich und typischerweise bei konzerneigenen Gesellschaften als geringer eingestuft wird.

6) Per wann und wie hat die Berichterstattung zu erfolgen? 

Die Bestimmungen zur Berichterstattung über nichtfinanzielle Belange sowie die Sorgfalts- und Transparenzpflichten bzgl. Mineralien und Metalle sowie Kinderarbeit wurden per 1. Januar 2022 eingeführt und finden erstmals Anwendung auf das Geschäftsjahr, das am oder nach dem 1. Januar 2023 begonnen hat. Unternehmen, deren Geschäftsjahr vor dem 1. Januar 2023 begonnen hat (z.B. am 1. Juli 2022), sind erst nach Ablauf des darauffolgenden Geschäftsjahrs (im erwähnten Beispiel nach dem 30. Juni 2024) verpflichtet, über das vergangene Geschäftsjahr Bericht zu erstatten. Da eine Berichterstattung Massnahmen während des betroffenen Geschäftsjahres bedingt und in Bezug auf Kinderarbeit und Konfliktmineralien und -metalle neben der Berichterstattung schon während dem betroffenen Geschäftsjahr Sorgfaltspflichten einzuhalten sind, sollten Unternehmen frühzeitig prüfen, ob sie in den Anwendungsbereich der Regularien fallen – am besten zu Beginn jenes Geschäftsjahres, über welches dann allenfalls Bericht erstattet werden muss.

Für alle drei Bereiche sind die Berichte vom obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgan des betreffenden Unternehmens zu genehmigen. Der Bericht über nichtfinanzielle Belange muss zusätzlich vom für die Genehmigung der Jahresrechnung zuständigen Organ (namentlich der GV) genehmigt und danach elektronisch veröffentlicht werden. Die Berichte im Bereich Kinderarbeit und Konfliktmineralien/-metalle sind innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des entsprechenden Geschäftsjahres elektronisch zu veröffentlichen. Eine Überprüfung des Berichts durch einen externen Revisor ist nur für den Bereich Konfliktmineralien und -metalle gesetzlich vorgeschrieben. 

Stellt ein Unternehmen fest, dass es nicht in den Anwendungsbereich fällt, so ist dies unternehmensintern nachvollziehbar zu dokumentieren. Im Gegensatz zum zu veröffentlichenden Bericht bestehen keine gesetzlichen Vorgaben, wonach die entsprechende interne Dokumentation durch ein bestimmtes Organ zu genehmigen ist. Klare Zuständigkeiten auf angemessener Stufe innerhalb der Unternehmensorganisation sind freilich trotzdem geboten.

7) Ist der Blick auf die Schweizer Regularien zu eng?

Als Pendant zur Schweizer Regulierung zur Berichterstattung in nichtfinanziellen Belangen existiert auf EU-Ebene die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD). Die CSRD ist am 5. Januar 2023 in Kraft getreten, wobei verschiedene Übergangsfristen bestehen. Sie weitet die Berichtspflicht im Bereich Nachhaltigkeit von Unternehmen in der EU erheblich aus. Auch Schweizer Unternehmen sind von den neuen Berichtspflichten erfasst, wenn sie in der EU einen Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. Euro erwirtschaften und mindestens eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in der EU haben. Dabei scheint sich die Schweiz immer mehr an der EU-Regulierung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung zu orientieren: So hat der Bundesrat im September 2023 beschlossen, die Regulierung im Bereich der nichtfinanziellen Berichterstattung insofern an die CSRD anzugleichen, als dass künftig bereits Unternehmen mit 250 Vollzeitstellen – statt bisher 500 (vgl. hierzu oben, Frage 2) – den entsprechenden Pflichten unterliegen sollen.

In Bezug auf unternehmerische Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten entlang der Wertschöpfungskette ist derzeit eine EU-Richtlinie in Erarbeitung (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, kurz CSDDD), wobei die EU-Gesetzgebungsorgane über deren Entwurf erst kürzlich – am 14. Dezember 2023 – eine vorläufige Einigung erzielt haben und mit deren Verabschiedung somit in naher Zukunft zu rechnen ist. Im Gegensatz zur gegenwärtigen Schweizer Regulierung bezieht sich das künftige EU-Lieferkettengesetz nicht nur auf die Bereiche Konfliktmineralien/-metalle und Kinderarbeit. Vielmehr sollen unternehmerische Pflichten in Bezug auf viele weitere Bereiche der Menschenrechte entlang der Lieferkette eingeführt werden. Dabei werden laut einer durchgeführten Studie im Auftrag des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) sowie des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) voraussichtlich mehrere hundert Unternehmen in der Schweiz direkt in den Anwendungsbereich fallen, wenn sie gewisse Voraussetzungen betreffend Nettoumsatz in der EU erfüllen, wobei dazu – im Gegensatz zur CSDR – keine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in der EU erforderlich sein soll. Indirekt von der CSDDD werden laut der Studie voraussichtlich sogar mehrere tausend Schweizer Unternehmen betroffen sein, indem Verpflichtungen von Geschäftspartnern in der EU an sie weiteregegeben werden. Auch in diesem Bereich ist mit einer Reaktion des Schweizer Gesetzgebers zu rechnen.

Einerseits aus Gründen der direkten oder indirekten Betroffenheit, andererseits aus Gründen der vorausschauenden Vorbereitung: Insbesondere für internationale Konzerne dürfte sich die die Orientierung an internationalen Regularien immer mehr lohnen. Wo notwendig, können die entsprechenden Massnahmen durch spezifische, von Schweizer Regularien geforderte Massnahmen ergänzt werden. Beispielsweise führt im Bereich der Konfliktmineralien und -metalle die vollumfängliche Einhaltung der EU-Konfliktmineralienverordnung bereits heute dazu, dass die entsprechenden Unternehmen von den Schweizer Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten in diesem Bereich befreit sind.

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ESG
ESG - Umwelt, Soziales und Un­ter­neh­mens­füh­rung
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14/11/2023
Legal Flash - Bundesrat will im Kampf gegen Greenwashing bei Fi­nanz­pro­duk­ten...
Hintergrund 2022 wurden in der Schweiz nachhaltige Investitionen in Höhe von rund 1,98 Billionen Schweizer Franken getätigt, so der Branchenverband Swiss Sustainable Finance (SSF). Die Zahl der Fälle von Greenwashing durch Banken und Fi­nanz­dienst­leis­ter auf der ganzen Welt ist in den letzten 12 Monaten gemäss RepRisk um 70 % gestiegen. Am 30. September 2023 ist die schweizerische Selbst­re­gu­lie­rung für eine nachhaltige Ver­mö­gens­ver­wal­tung der Asset Management Association Switzerland (AMAS) in Kraft getreten. Diese Nach­hal­tig­keits-Selbst­re­gu­lie­rung stellt einen weiteren Schritt bei der Umgestaltung des schweizerischen Re­gu­lie­rungs­rah­mens dar, um nachhaltige Konzepte, Grundsätze und Regeln zu integrieren. Zusätzlich veröffentlichte die AMAS zusammen mit dem SSF am 4. Oktober 2023 den Swiss Stewardship Code, ein Leitfaden zur Ausübung von Ak­tio­närs­rech­ten durch Investoren in der Schweiz. Diese neuen Initiativen folgen auf die Selbst­re­gu­lie­rung der Schweizerischen Ban­kier­ver­ei­ni­gung (SBVg) zur ESG-Integration, die im Juni 2022 von der SBVg erlassen wurde und am 1. Januar 2023 in Kraft trat. Aus Sicht des Eidgenössischen Fi­nanz­de­par­te­ments (EFD) sind diese Massnahmen aktuell aber nicht ausreichend. Wie das EFD den Bundesrat am 25. Oktober 2023 informiert hat, wird es daher bis Ende August 2024 einen Ver­ord­nungs­vor­schlag für eine „prin­zi­pi­en­ba­sier­te staatliche Regulierung“ hinsichtlich Greenwashing bei Finanzprodukten ausarbeiten, sollte die Branche nicht nachbessern. Key Findings Schweizerische Selbst­re­gu­lie­rung für nachhaltige Ver­mö­gens­ver­wal­tung  Der Begriff der “Nach­hal­tig­keit” ist von zentraler Bedeutung für die Anwendung der Nach­hal­tig­keits-Selbst­re­gu­lie­rung. Ein blosser Verweis auf einzelne Elemente oder Nach­hal­tig­keits­an­sät­ze, wie z.B. 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Die Anwendung vergleichbarer ausländischer Standards – wie die EU Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) – reicht aus, um die von der AMAS herausgegebene Nach­hal­tig­keits-Selbst­re­gu­lie­rung zu erfüllen. Die Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie mit Angabe des verfolgten Anlageansatzes (z. B. Ausschlüsse, Impact Investing, thematisches Investieren usw.) muss den Anlegern zugänglich gemacht werden. Im Ver­mö­gens­ver­wal­tungs­ver­trag (direkt oder über einen Anhang) ist der Mindestanteil der Anlagen festzulegen, die den in der Anlagepolitik definierten Nach­hal­tig­keits­an­for­de­run­gen entsprechen müssen. Die Anleger werden mindestens einmal im Jahr in einem Bericht über die Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie informiert. Bei Im­pact-In­ves­t­ing-Stra­te­gien muss die jährliche Be­richt­erstat­tung aufzeigen, inwieweit die angegebenen Nach­hal­tig­keits­zie­le erreicht wurden. Key Findings Swiss Stewardship Code  Ziel dieses Kodex ist es, die aktive Ausübung der Aktionärsrechte durch Investoren in der Schweiz zu fördern, eine nachhaltigere Wirtschaft zu entwickleln und die langfristige Rendite für Investoren unter Be­rück­sich­ti­gung der Nach­hal­tig­keits­ri­si­ken zu erhöhen. Der Kodex ist nicht verbindlich. Er ist auf freiwilliger Basis anwendbar und spricht lediglich Empfehlungen aus. Nach Angaben von AMAS und SSF sind die Grundsätze des Kodex mit den Global Stewardship Principles des International Corporate Governance Network (ICGN) abgestimmt. Die Leitlinie richtet sich an Anleger, aber auch an deren Ver­mö­gens­ver­wal­ter und andere Dienstleister, die für Anleger Ste­ward­ship-Ak­ti­vi­tä­ten übernehmen. Die Leitlinie ergänzt die bestehenden zivil- und ver­wal­tungs­recht­li­chen Verpflichtungen. Mit anderen Worten: Der Kodex steht nicht im Widerspruch zu diesen Verpflichtungen oder Anforderungen, und die Einhaltung seiner Grundsätze entbindet Anleger und/oder Dienstleister nicht davon, diese ebenfalls einzuhalten. Insgesamt enthält die Leitlinie aus neun Grundsätze für eine wirksame Stewardship: (1) Governance, (2) Ste­ward­ship-Richt­li­ni­en, (3) Abstimmungen, (4) Engagement, (5) Eskalation, (6) Überwachung von Be­tei­li­gungs­un­ter­neh­men, (7) Delegation von Ste­ward­ship-Ak­ti­vi­tä­ten, (8) In­ter­es­sen­kon­flik­te und (9) Transparenz und Be­richt­erstat­tung. Weitere Informationen dazu sind hier zu finden. Obwohl der Swiss Stewardship Code prin­zi­pi­en­ba­siert ist, enthält er mehrere spezifische Empfehlungen und eine klare Methodik, die Investoren, Ver­mö­gens­ver­wal­tern und anderen Dienstleistern, die sich für nachhaltige Investitionen und Stewardship einsetzen, eine nützliche Hilfe sein können. Fazit Das Inkrafttreten der Nach­hal­tig­keits-Selbst­re­gu­lie­rung ist ein weiterer Schritt bei der Umgestaltung des schweizerischen Re­gu­lie­rungs­rah­mens, um darin nachhaltige Konzepte, Grundsätze und Regeln zu integrieren. Die AMAS fördert Lösungen und Initiativen für einen angemessenen nachhaltigen Rahmen für die Schweizer Ver­mö­gens­ver­wal­tungs­bran­che, wie z.B. den erwähnten Swiss Stewardship Code, der gemeinsam mit Swiss Sustainable Finance SSF entwickelt wurde, oder die Förderung des bereits bestehenden Swiss Climate Scores. Angesichts der Absicht des EFD, Greenwashing möglicherweise staatlich zu regulieren, werden die kommenden Monate entscheidend dafür sein, ob sich die Schweiz für eine Selbst­re­gu­lie­rung, eine strenge Regulierung oder sogar für eine Kombination aus beiden Ansätzen entscheiden wird.
05/12/2023
Green Claims – was es zu beachten gilt
Das Thema Nachhaltigkeit rückt immer stärker in den Fokus der Konsumentinnen und Konsumenten. So gibt es Untersuchungen, dass sich Produkte mit Green Claims besser verkaufen als andere. Doch wo liegen die Grenzen des Erlaubten bei Green Claims?